In Person: Laura Waddington

FlyerOsterreichischen Filmmuseum, Sixpack Film, Vienna, 2002.

Laura Waddington 1970 in London geboren, studierte Literatur an der Cambridge University, übersiedelte nach New York, wo sie bereits 1992 mit ihrer filmischen Arbeit begann und bei zwei Kurzfilmen das Buch schrieb und die Regie führte. Nach den internationalen Erfolgen ihrer beiden Videos Zone und The Lost Days, gab ihr das Internationale Filmfestival Rotterdam einen Produktionsauftrag für deren Projekt “On the Waterfront”, eine Serie von 10 digitalen Filmen, die in verschiedenen Hafenstädten gedreht werden sollten. Laura Waddington schlug eine Reise auf einem Containerschiff von Europa in Richtung Naher Osten vor, von der sie in ihrem jüngstem Video Cargo erzählt. Zur Zeit lebt sie in Paris und arbeitet an Border, einem Video- und Internetprojekt über verborgene Immigrationsrouten nach Europa.

Laura Waddingtons Videoarbeiten sind Verbindungen zwischen ihren literarischen Texten und ihrer vagen Bilderwelt, die — verlangsamt, teilweise oder zur Gänze eingefärbt, manchmal unscharf und meistens grobkörnig — die Frage nach einer vermeintlich objektiven Abbildbarkeit einer Wirklichkeit obsolet erscheinen lässt. Die Filmemacherin stößt bewusst an die Grenzen des Fotografischen und des Dokumentarischen, wenn sie ihre Reisebilder in einen endlosen Fluss von entrückt erscheinenden Strassen- und Häuserfluchten und anonymen Menschen und Gesichtern transformiert. Mittels Abstraktion öffnet sie den Raum für die Schönheit des Unsichtbaren im Sichtbaren und thematisiert damit gleichzeitig Fragen der Herkunft und Entwurzelung. Der poetisch geformte Kommentar ist immer eine Ich-Erzählung einer einsamen Frau auf Reisen, die bewusst den existentiellen Zustand des Unterwegsseins und der Isolation als Erfahrungsmöglichkeit von Welt und Selbst wählt.

“Wie in früheren Arbeiten, wie etwa The Lost Days, verwendet Laura Waddington in Cargo den Reisebericht als ein Motiv, um eine persönliche und/oder eine soziale Geschichte zu erzählen. Für die meisten jungen Männer an Bord des Frachtschiffes nach dem Nahen Osten hat die Romanze des sorgenfreien Lebens als Matrose längst seinen Glanz verloren. Viele von ihnen endeten in einer hoffnungslosen Situation: einige bekamen seit Monaten nichts bezahlt, andere sind seit Jahren nicht wirklich auf dem Festland gewesen. Waddington portraitiert diese Welt als eine geschlossene Gesellschaft mit ihren eigenen Regeln und Gesetzen, einen Hafen nach dem anderen ansteuernd, ohne wirklich Teil der Welt an Land zu sein. Die aus der Distanz beobachtende Art des Filmens in Kombination mit den körnigen Bildern verstärkt das Gefühl einer hermetischen Welt. Der Epilog bringt uns zurück nach Paris, wo es auch Durchreisende gibt: die Pendler in der U-Bahn auf ihrem Weg zur Arbeit; die japanischen Touristen vor ihrem Hotel. Der Kommentar erzählt, dass einer der Männer an Bord angerufen hat, um zu sagen, dass er sie vermisst. Cargo handelt auch von den flüchtigen Begegnungen mit Menschen unterwegs, die bald wieder aus unserem Leben verschwinden und zur Erinnerung werden.” (Christel Vesters)

Zone
USA 1995, Beta SP, sw & Farbe, 8 Min.

Eine Frau erzählt die Geschichte einer Seereise, die sie einst unternahm, und nimmt uns mit auf eine unheimliche Reise durch ihre Phantasie. Zone wurde mit einer versteckten Kamera auf dem Kreuzer QE2 aufgenommen. “Aus stilisiertem Überwachungsmaterial gestaltet Laura Waddington eine traumähnliche Erzählung von Sehnsucht und Verlust.” (The New York Video Festival 1996)

The Lost Days
F/GB 1999, Beta SP, Farbe, 47 Min.
Stimmen: Chantal Akerman und Marusha Gagro,
Musik: Simon Fisher Turner

1997 schrieb ich eine Geschichte über ein Mädchen, das durch Europa, Russland und Asien reiste und dabei die Dinge, die sie sah, filmisch festhielt und ihrem Freund in New York als Videobriefe schickte. In meiner Vorstellung gehörte dieses Mädchen nirgends wirklich hin und ihre Reisen entfernten sie eher von sich selbst als dass sie sie näher gebracht hätten. Im gleichen Jahr kontaktierte ich Menschen in 15 Ländern und bat sie, ihre Städte für mich zu filmen, als ob sie dieses Mädchen wären. Darunter waren FilmemacherInnen, PhotographInnen, ArchitektInnen, DesignerInnen, aber auch ganz normale Leute, die noch nie vorher eine Kamera in der Hand hatten. Ich schrieb ihnen über meine Figur und deren Gefühle und manchmal gab ich konkrete Instruktionen über Routen oder Orte. Aus diesen Videofragmenten, die ich erhielt und vielfältig bearbeitete, setzte ich The Lost Days in einer Art Collage zusammen. (Laura Waddington)

Cargo
NL 2001, Beta SP, Farbe, 29 Min. Musik: Simon Fisher Turner

Cargo ist die Geschichte einer Reise, die ich auf einem Containerschiff machte, gemeinsam mit einer Gruppe von Phillipinen und Rumänen und den Matrosen, die das Frachtgut nach dem Nahen Osten lieferten. Ich verbrachte sechs Wochen auf dem Schiff. Die Matrosen durften das Boot nicht verlassen und verbrachten ihre Tage mit Warten, Karaoke singen und dem Erzählen von Geschichten in einem kleinen Fernsehzimmer. In Syrien waren die Häfen militärische Zonen. Ich versteckte mich bei einem Loch im Hafen und filmte heimlich das Leben dahinter: einen Mann, der Holz stielt oder Soldaten, die von einem verlassenen Unterseeboot fischten. Später nahm ich die abstraktesten Bilder und schrieb eine Geschichte, die zwischen Realität und Fiktion changiert. Es war mein Weg, die Vorhölle, in der diese Männer leben müssen, zu schildern. (Laura Waddington)

Flyer from “In Person: Laura Waddington”, Austrian Film Museum, Vienna May 2002, organised by SixPack Film, Vienna